Hatschepsuts Weihrauchexpedition
Hatschepsuts Weihrauchexpedition

Alter Orient

Überall im alten Orient gehörten Duftstoffe zum Alltag und Räucherwerk zum Kult.

Nicht überraschend ist die Weihrauchverwendung im Ursprungsland des Harzes, in Südarabien. Die kultische Nutzung läßt sich einerseits aufgrund archäologischer Funde nachzeichnen. Räucherkästchen mit Inschriften markieren die wichtige Rolle des Räucheropfers vor allem auch im häuslichen Kult. Andererseits wurden auf den zu exportierenden Weihrauch Ausfuhrzölle erhoben, die in Gestalt des Zehnts der Ware bei den Tempeln entrichtet werden mußten. Es ist daher anzunehmen, daß auch in altsüdarabischen Göttertempeln Weihrauch in nicht geringen Mengen verbrannt wurde.

Frühere Zeugnisse noch erhält man aus dem alten Ägypten. Bereits aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. sind Importlisten bekannt, auf denen das Räucherharz sntr erscheint. Bekannt ist vor allem die einzigartige Expedition der Königin Hatschepsut, die kurz nach 1500 v. Chr. Schiffe ins sagenhafte Land Punt entsandte. Von dort brachten die Händler unter anderem lebende Weihrauchbäume in ihr Heimatland mit. Im ägyptischen Kult kam dem Weihrauch eine außergewöhnliche Rolle zu. Hier war er Zeichen der Offenbarung der Gottheit, mehr noch, sein Duft verkörperte sie selbst. Außer zu kultischen Zwecken benutzte man in Ägypten Weihrauch als Arzneimittel und als Kaugummi gegen Mundgeruch.

In Mesopotamien scheint in ältester Zeit Weihrauch im strengen biologischen Sinne bei den Räucherungen unbekannt gewesen zu sein. Meist wird dies mit den fehlenden Seehandelsbeziehungen zu Südarabien zu erklären gesucht. Gleichwohl gehören Räucherungen mit einer Vielzahl von Ingredienzien in ähnlich früher Zeit wie in Ägypten selbstverständlich zum Kult. Eher zu bezweifeln ist die Notiz bei Herodot, daß an einem Baalsfest allein 1000 Talente Weihrauch, etwa 26 Tonnen also, verbrannt wurden. Erst in hellenistischer Zeit wird man mit Olibanumharz als Räuchermaterie rechnen dürfen.

 

Altes Testament

Das Volk Israel traf in Palästina bereits auf eine kanaanäische „Räucherkultur“, wie zahlreiche Funde von Räucherpfannen, -altären und -kästchen belegen. Aber auch aus Ägypten wird der Exodusgemeinde der Brauch des Räucherns vertraut gewesen sein. Keineswegs ist auf so früher religionsgeschichtlicher Entwicklungsstufe unter der verwendeten Räuchermaterie aber Weihrauch im strengen Sinne zu verstehen. Zu unterscheiden ist daher:

 

Das Räuchern von Fett

Diese Räucherpraxis in vorstaatlicher Zeit am Heiligtum in Silo veranschaulicht der Text 1 Sam 2,12–17 aus dem späten 11. Jahrhundert. Daraus geht hervor, daß nach dem Schlachten des Opfertieres das Fett ausgekocht und von der Oberfläche abgeschöpft wird. Als wertvollster Teil des Opfers wird es auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen und dadurch Gott übereignet. Aus 1 Sam 2,27–29 erklärt sich, daß dieses Räuchern eine priesterliche Funktion war. Das ausgekochte Fleisch, das die Priester mit einer Gabel aus dem Topf holten, stand ihnen als ihr Anteil zum Verzehr zu. Sowohl bei den klassischen Propheten des 8. Jahrhunderts als auch die Priesterschrift wird unter der zu räuchernden Opfermaterie an Fett zu denken sein. Gleiches gilt für den wohl nicht vor 475 v. Chr. entstandenen Text aus dem Buch Maleachi, der von den christlichen Kirchenvätern fälschlich auf Weihrauch hin interpretiert wurde: „Aber vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang ist groß mein Name unter den Heidenvölkern. Und zwar an jedem Ort, an dem Geräuchertes meinem Namen dargebracht wird als reine Opfergabe, denn groß ist mein Name unter den Heiden, spricht JHWH Zebaoth.“ (Mal 1,11)

 

Dreizack

 

Das Räuchern von Backwaren

Das Räuchern mit gesäuerten Backwaren (vgl. Am 4,4) ist wohl kanaanäischen Ursprungs. Auch bei Jesaja ist wohl noch nicht an Weihrauch und andere Spezereien als Räuchermaterie zu denken. Nimmt man zu Jes 1,13 die Stelle Jes 6,6 zu Hilfe, wird wahrscheinlich, daß es sich auch hier um Backwaren gehandelt hat, die verkokelt wurden. Denn die Glutsteine des Altares, mit denen die Lippen des Propheten berührt werden, haben ihren Sitz im Alltag bei der Brotfladenherstellung. Im privaten Bereich (vgl. Jer 44; Ez 16,19) werden Kuchen und Brot einer Gottheit geräuchert.

 

Das Räuchern von Aromata

Im privaten Kult

Bei Ezechiel 8 finden sich Indizien für zwei neue Entwicklungen des privaten Räucherkultes. Zum einen belegt der Text (8,7–13) eine Verbindung der Räucherung zum Totenkult. Zum anderen wird hier erstmals in den Texten des Alten Testaments von einem transportablen Räuchergerät berichtet, wie es archäologische Funde für diese Zeit belegen. Eine ähnliche Situation des privaten Kultes beschreibt der Text Jesaja 65,1–7. Aus Vers 3 läßt sich erheben, daß auch in der genannten Zeit Aromata auf Ziegelsteinen im Privatkult geräuchert wurden.

 

Räucherkästchen

 

Die Einführung des Räucherns mit Aromata in den JHWH-Kult

In der Priesterschrift finden sich drei erzählende Passagen, die das Eindringen des Aromataopfers in den JHWH-Kult nachzeichnen lassen. Es handelt sich um die Geschichten von den Aaronsöhnen Nadab und Abihu in Lev 10,1–5, die der 250 Männer in Num 16f und der davon abzuhebende Bericht von der Rotte Korach in Num 16.

Hinter der Kritik an dem fremden Feuer, das die Aaronssöhne in ihren Räucherpfannen JHWH darbrachten, steht die Einführung von einem separaten Weihrauchopfer in den offiziellen Kult.

In der Episode von der Vernichtung der Rotte Korach, die ebenfalls in nachexilische Zeit zu datieren ist, gehört das Räuchern mit Aromata zu den Priestervorrechten. Kritikpunkt ist nun nicht mehr das auf tragbaren Räucherpfannen dargebrachte Opfer im JHWH-Kult, sondern die Amtsanmaßung der Leviten gegenüber den Aaroniden. Aufgrund der Erzählung darf man für die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts davon ausgehen, daß Aromata sich im Jerusalemer Kult durchgesetzt haben.

Auch der – mit der Erzählung von der Rotte Korach in Num 16f verwobene – Streitfall der sogenannten 250-Männer-Geschichte (niedergeschrieben um 450 v. Chr.) besteht nicht in einer Kritik am Räucherkult des Volkes. Vielmehr soll der Kultgemeinde verwehrt werden, sich mittels der Praxis des Räucheropfers Heiligung zu verschaffen, die alleine den Priestern zukommt. In der Erzählung (Vers 18) wird ferner deutlich, daß in jedem Haushalt Räuchergeräte vorhanden waren.

Auch 2 Chr 26,16–20 geht von einem transportablen Räuchergerät aus. Der Ausschluß des Usija vom Räuchern im Tempel durch die Priester verdeutlicht, daß es den Frommen prinzipiell durchaus erlaubt war, im Heiligtum Aromata darzubringen. Kultgeschichtlich entspricht der Text damit Lev 16f bzw. Ez 8.

 

Weihrauch als Zutat zum Speiseopfer

Während das reine Aromataopfer noch weitgehend restriktiv behandelt wird, hat sich der Weihrauch im Rahmen des Speiseopfers bereits etabliert. Die älteste Nennung von Weihrauch in priesterschriftlichen Texten findet sich in Lev 2,1. Demzufolge wurde Weihrauch für unbehandelte Speiseopfer der späten Vorexils- wie auch der Exilszeit als Beigabe verwendet. Allerdings kann man diese Praxis keineswegs als ein Räucheropfer werten, vielmehr handelt es sich um ein Speiseopfer, dessen Brandgeruch durch Aromata verfeinert wurde.

Nach Neh 13,5.9 wurde Weihrauch in den Magazinen des Tempels gelagert, wo er auch auch erworben werden konnte. Manche Pilger brachten die Opfermaterie selbst nach Jerusalem mit, wie Jer 41,5 und CD 11,19 belegen. Daß in Lev 5,11 für das Sündopfer und in Num 5,15 für das Eifersuchtsopfer Weihrauch als Zutat ausdrücklich ausgeschlossen wird, stützt die Annahme, daß der Zusatz zum Speiseopfer üblich war. Daß nach Lev 24,7 Weihrauch auf die gebackenen Schaubrote zu streuen war, stellt eine weit spätere Entwicklungsstufe dar. Kaum früher ist die Erwähnung des Weihrauchs in Jer 6,20 zu datieren.

Erst in Ex 30,34 und 1 Chr 9,29 begegnet Weihrauch als ein eigenständiges Opfer. Entsprechend wird man daher auch in Jer 6,20 von einer Weihrauchzutat zum Speiseopfer auszugehen haben. Möglicherweise richtet sich die prophetische Polemik gegen einen erst vor kurzem eingeführten Brauch. Es wäre dann von einer Einführung des Weihrauchs in den offiziellen Kult in spätvorexilischer Zeit auszugehen.

Bedeutend war für die christliche Liturgie schließlich der zweite Vers des 141. Psalmes.
„Als Rauchopfer stehe mein Gebet vor dir,
mein Händeerheben als Abendopfer.“ (Ps 141,2)

 

Das Rauchopfer nach Exodus 30

Ex 30,7f fordert die Darbringung von duftendem Räucherwerk am Morgen und am Abend. Die in Ex 30,34–38 reglementierte Herstellung sakralen Räucherwerks nennt vier aromatische Ingredienzien: Storax (Harz der Pistacia lentiscus), Räucherklaue (die Deckel mehrerer Flügelschnecken-Arten), Galbanum (der zu einem gummiartigen Harz eingedickte Milchsaft eines Doldengewächses, Ferula galbaniflua) und „reiner Weihrauch“.

 

Räucheraltar

 

In Ex 30 ist mit den Vorschriften für den Bau eines Rauchopferaltares (1–10) und der Herstellung der Rauchwerksmischung (34–38) ein letzter Entwicklungsabschnitt des israelitischen Räucheropfers erreicht. Dieser Höhepunkt ist in der nachexilischen Zeit anzusiedeln.

 

Metaphorische und profane Verwendung des Weihrauchs

In Sir 24,15 sagt die Weisheit von sich, sie ströme Wohlgeruch aus, wie Galbanum, Onyx und Statke, wie Weihrauch im heiligen Zelt. Mit der Zitation dieser vier Inhaltsstoffe des in Ex 30,34 genannten Räuchergemischs beansprucht die Weisheit Teilhabe am Kult.

Auch von Gott wohlgefälligen Menschen wird gesagt, daß sie Duft verströmen wie Weihrauch. Aber nicht nur im übertragenen Sinne duften Menschen nach Weihrauch. An ihm erfreut man auch zuhause seine Sinne. Mit ihm beräuchert man sich Haar, Bart und Kleidung.

Aromata dienen vor allem bei der Vorbereitung auf den Geschlechtsverkehr. Nach Spr 7,17 beduftet die Dirne ihr Bett. Der König duftet an seinem Hochzeitstag von Myrrhe, Aloë und Kassia (vgl. Ps 45,9). Bei den Persern wurden die Haremsmädchen durch eine einjährige regelrechte Aroma-Kur vorbereitet (vgl. Est 2,12).

Im Hohelied sieht der junge Mann die Sänfte seiner Liebsten nahen mit Säulen von Myrrhe und Weihrauch umwölkt. Er schwärmt seinerseits vom Duft seiner Freundin. Weihrauchberg und Myrrhehügel werden zu Metaphern für ihre Brüste.

 

Mittelmeerraum

Griechenland

Im Griechenland der Zeit Homers war der Weihrauch unbekannt. Vorwiegend einheimische Substanzen, z. B. Lorbeer, wurden zu Räucherungen verwendet, und diese Praxis hielt sich in manchen Kulten, wie etwa beim delphischen Orakel. Vermutlich waren es die Phönizier, die das Harz seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. zu den Griechen brachten. Zunächst scheint der Weihrauch als Gabe für die Göttin Aphrodite benutzt worden zu sein. Auch bei Hochzeitszeremonien, im Zusammenhang mit der Wahrsagerei und im Rahmen von Mysterienkulten wurde nicht selten Weihrauch verbrannt. Die Harzkörnchen wurden mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger ergriffen und ins Feuer bzw. auf die Kohlen geworfen. Dieser Ritus spielte dann auch im Zusammenhang mit den im Kaiserkult begründeten Christenverfolgungen eine Rolle.

Der erste Herrscher, dem nachweislich Weihrauch dargebracht wurde, war Alexander der Große. In der folgenden Zeit begegnen vermehrt Zeugnisse, die jedoch zumeist auf das griechische Asien beschränkt bleiben, die Region, in der auch in römischer Zeit der Kaiserkult besonders hoch im Kurs stand.

 

Rom

Für Rom ist mit der Einführung des Weihrauchs etwa im 3. Jahrhundert v. Chr. zu rechnen. Großer Beliebtheit erfreute er sich im öffentlichen wie privaten Kult. Bereits mit ein klein wenig Weihrauch konnte man eine Gottheit geneigt machen, eine Bitte zu erfüllen. Umgekehrt glaubte man auch, die Götter seien auf den Duftrauch der Opfer als Nahrung angewiesen.

Immense Weihrauchmengen wurden für Begräbnisfeierlichkeiten aufgewendet. Fünfzig Pfund des wertvollen Harzes als Beigabe waren bei der Einäscherung eines Adeligen nichts Außergewöhnliches. Eher zu bezweifeln ist wohl die Überlieferung, Nero habe mehr als eine Jahresernte Arabiens für die Leichenfeier seiner Frau Poppea Sabina aufgewendet. Darüber hinaus wurde auch bei festlichen Gelagen kontinuierlich Weihrauch verbrannt, um eine duftende Atmosphäre zu erzeugen.

Bereits in der republikanischen Epoche gab es Ehrungen besonders verdienter, lebender Personen durch Weihrauch. In aller Regel galt das Weihrauchopfer aber nur Göttern und vergöttlichten Personen. Diese Praxis wurde dann in der Kaiserzeit den Imperatoren nach ihrem Tod beigelegt, bzw. von ihnen noch zu Lebzeiten übernommen.

Mehr Informationen zum Weihrauch

Michael Pfeifer

Der Weihrauch

Geschichte, Bedeutung, Verwendung

3. Auflage, Regensburg 2018
ISBN 978-3-7917-2948-0